Geschichtliches

HutmitSchatten2D’Oberdorfer Fasnacht – ihre Entstehung und Bräuche
He du Hee statt Helau und Alaaf!

Marktoberdorf ist eigentlich über das Jahr eine recht beschauliche Ostallgäuer Kleinstadt: rund 18.000 Einwohner, ein Hallenbad, eine Stadtkapelle, viele Doppelhaushälften und genug Kindergärten. Hier lässt es sich ruhig und gemütlich leben. Doch Marktoberdorf, ehemals der kleine Flecken Oberdorf (weshalb sich die Einwohner immer noch Oberdorfer nennen), dann zum Markt ernannt und 1953 Jahren zur Stadt erhoben, hat eine wilde Vergangenheit. Und die lassen die Oberdorfer auch noch heute jedes Jahr aufleben: die Fasnacht!

Seit uralten Zeiten schon lassen es sich die Marktoberdorfer nicht nehmen ihre Fasnacht mit ganz eigenen Bräuchen und Gepflogenheiten zu feiern. Schließlich, so schrieb schon der Geschichtsschreiber Martin Dömling im Oberdorfer Heimatbuch über die Fasnacht: „Selbst Leute, die sonst einen recht ehrbaren Wandel führen, sind da durchaus geneigt, über ihre Verhältnisse zu leben, und wollen in vollen Zügen genießen, was es zu genießen gibt.“

Die Fasnachtspende „fastango“ zu Oberdorf

Die ersten Aufzeichnungen gehen auf das Jahr 1612 zurück. Danach gab es zu dieser Zeit wohl schon seit längerem den edlen Brauch der Fasnachtsspende oder fastango genannt. Schon damals war es wohl so, dass die Leute gerade zur Fasnachtszeit dazu geneigt waren, über die Stränge zu schlagen und sich so richtig vergnügen wollten. Dass die Oberdorfer dabei auch an ihre armen Mitmenschen dachten, ist ihnen hoch anzurechnen. So wurde von den Spenden alljährlich am Martini-Markt zwei bis drei Schweine gekauft. Diese wurde von den Marktmetzgern feinsäuberlich zerlegt und pfundweise in Fässern eingesalzen. Die Fässer lagerten dann bis zum Fasnachtssonntag im Pfarrhof und wurden dann an arme und alte Leute verteilt. Beim Einfall der Schweden 1633 wurde das Buch der Fasnachtsspenden verbrannt und die nachfolgende Verarmung der Bevölkerung, Hungersnot und Pest ließ den schönen Brauch aussterben.

Gumpiger Donnerstag bis 1870

Einen anderen eigentümlichen Brauch pflegten die Oberdorfer bis um 1870 am gumpigen Donnerstag. Die ledigen jungen Männer holten am Tag zuvor eine schöne Tanne aus dem Wald. Diese wurde ausgeastet und auf Schlitten verladen im ganzen Markt herumgefahren. Die Tour endete beim Gemeindepfleger, dem die Tanne zum Geschenk gemacht wurde. Der freute sich über das gelieferte Brennholz, musste die Burschen dafür aber bewirten und gab jedem einen Kreuzer.

Maschkerergau

Die typische Verkleidung der Oberdorfer „Buaba“ am gumpingen Donnerstag war ein Helm aus Papier gefaltet ein Holzschwert in der Hand und die Joppe verkehrt angezogen. So ritten sie von Haus zu Haus und leiterten den alten schwäbischen Fasnachtsspruch herunter und hofften auf milde Gaben:
„I komm dahea vo Weißehoare –
I hau mei Weib im Bött verloare –
I hasu se g’suacht im ganze Haus –
Iaz ischt dia Hex beim Kemmat ’naus.
Wea se find’t und nimma bringt,
Dea kraigt a recht scheas Trinkgeld g’schenkt.“

Von damals bis heute

Doch auch der Rest der Bevölkerung feierte kräftig mit und es gab ein einziges großes Faschingstreiben. 1857 stellten die Landsknechte einen Umzug auf und zogen durchs Dorf. 1880 veranstaltete man ein großes Sackrennen. 1881 führte man den „Bayrischen Hiasl“ auf und die ehemalige Turnerfeuerwehr lud zu "Maskenumzügen zum Gaudium des Publikums" ein. 1906 hatte der "Gaudiwurm" bereits 40 Zugnummern aufzuweisen. Hinzu kamen noch Faschingsveranstaltungen, die unter dem Motto "Herrenabend - urkomisches Programm der Komikergesellschaft "Blechdach & Co." über die Bühne gingen. 1913 schließlich wurde eine prächtige Bauernhochzeit gefeiert. Die ganze Bevölkerung, Jung und Alt, machten mit und es zog ein prächtiger Hochzeitszug durch den Markt. Auf einer extra aufgebauten Bühne am unteren Marktplatz wurde dann trotz Kälte getanzt und schließlich fanden sich alle zum Hochzeitsmahl in der Turnhalle zusammen. Es muss ein rauschendes Fest gewesen sein, da selbst heute noch die Bauernhochzeit ein fester Begriff für die Oberdorfer ist.

Oberdorfer Fasnacht heute

Das waren die Vorreiter der heutigen Oberdorfer Fasnachter. Durch die beiden Weltkriege war es dann ruhig geworden. Bis 1965 sich die Stadtkapelle auf die lange Fasnachtstradition besann und zu einer Neubesprechung einlud. Sofort waren wieder alle mit Feuer und Flamme dabei und 1966 gab es wieder einen Umzug – den Oberdorfer Gaudiwurm. Inzwischen ist der Gaudiwurm, der sich traditionell am Faschingssonntag durch die Innenstadt von Marktoberdorf schlängelt, eine der größten in ganz Schwaben. Auf rund dreieinhalb Kilometern Zuglänge unterhalten rund 90 verschiedene Gruppen, zusammengefasst in ca. 70 Zugnummern mit 12 Musikkapellen die rund 30.000 Besucher, die jährlich aus Nah und Fern anreisen. Hier versucht eine Gruppe die andere mit noch fantasievolleren Wagen und aufwendigeren Kostümen zu übertreffen und es Pflicht, dass jedes Gefährt ein anderes Thema aus Politik, Gesellschaft und Sport auf die Schippe nimmt. Darunter sind oft spektakuläre Aufbauten zu sehen, an denen z. B. die „Maschkerer“ lässig in mehreren Metern Höhe schweben, oder es werden auf den Gefährten mechanische Apparaturen betrieben, die die kuriosesten Dinge vollbringen. Und alle Zuschauer werden mit einem fröhlichen „He Du Hee“, dem Oberdorfer Fasnachtsgruß willkommen geheißen. Sehr unterhaltsam während des Umzugs sind die an sieben Stellen in der Stadt postierten Fasnachtssprecher, die den Zug frech und witzig zum Vergnügen der Zuschauer kommentieren. Und nach dem Gaudiwurm wird dann auf allen Plätzen und Gaststätten in Marktoberdorf oft bis spät in die Nacht fröhlich weitergefeiert.

Oberdorfer Bühnenfasnacht

1967 feierte man nach dem Umzug im alten Stadttheater weiter. Spontan ergriff damals Kaspar „Baschtl“ Streif , Marktoberdorfer Original und Heimatdichter, die Gelegenheit, sprang auf die Bühne und glossierte das gesehene närrische Treiben in Versform. Das Publikum war begeistert! Sogar die Allgäuer Zeitung druckte die gereimte Gaudiwurmbeschreibung ab. Schon im nächsten Jahr gab es dann die Oberdorfer Fasnachtsabende. Erst nur am gumpigen Donnerstag, bald schon an drei Abenden und heute füllen die Oberdorfer Fasnachter sechs Mal das örtliche Veranstaltungszentrum Modeon und amüsieren sich die Zuschauer mit einer jedes Jahr neu erschaffenen, einzigartigen Kabarett- und Revueshow. Beim Zuschauen vergisst man dabei leicht, dass es wirklich nur Laien aus Marktoberdorf und Umgebung sind, die hier auf der Bühne stehen. Die verschiedenen Ereignisse des Jahres von der hohen Politik über allgemeine Gesellschaftsthemen bis hin zu lokalen Begebenheiten werden in Dialekt und hochdeutsch bissig-witzig glossiert und in Szene gesetzt. Dazwischen sorgen rasante Tanz-, Akrobatik und Live-Musikeinlagen für Abwechslung und Stimmung. Jede Nummer, jedes Stück und jeder Sketch wird von den Mitwirkenden eigens für die Fasnacht geschrieben und einstudiert. Adaptierte Sketche und Vorlagen aus dem Fernsehen oder Büttenreden, wie aus dem rheinischen Karneval bekannt, sucht man hier vergeblich. Hier wird parodiert, bissig kommentiert und schonungslos bloßgestellt. Alles wird mit aufwendig gestalteten Bühnenbildern, Masken und Kostümen liebevoll bis ins kleinste Detail inszeniert. Rund 100 Akteure sind bei den Oberdorfer Fasnachtsabenden auf und hinter der Bühne aktiv und arbeiten auch heuer wieder mit Hochdruck an ihren Auftritten um das inzwischen schon verwöhnte Marktoberdorfer Publikum wieder zu begeistern!

Der Oberdorfer Kinderball

Zum Ende der närrischen Zeit kommen die Kinder in Marktoberdorf noch mal voll auf ihre Kosten. Für die Kleinen organisieren die Oberdorfer Fasnachter ebenfalls schon seit über 30 Jahren am Faschingsdienstag einen Kinderball, heute einer der größten in Schwaben. Kinder haben freien Eintritt, Erwachsene müssen, wenn sie schon unbedingt mit wollen, drei Euro Eintritt bezahlen. Dabei haben die Helferinnen und Helfer ganz schön was zu tun. Schließlich wollen 800 bis 1000 Kinder beaufsichtigt werden. Zur Unterhaltung spielt eine Liveband, die Ronsberger Kindergarde und eine Tanzgruppe tritt auf. Dies ist dann für die Oberdorfer Fasnachter der Abschluss der Fasnacht und es wird Ruhe gegeben bis zum Ende des Jahres. Dann sind aber wieder alle zur Stelle, wenn zum ersten „Hock“ geladen wird und die neue Fasnacht vorbereitet wird!